Vamos Mujer, Kolumbien
Patricia Luli, die Direktorin von „Vamos Mujer“, erklärt, warum: „In den 50 Jahren des Krieges haben Frauen unsichtbar den Frieden im Alltag aufgebaut. Sie sind Stützpfeiler in den Familien und Gemeinden und daher für die Schaffung von nachhaltigem Frieden im Land unverzichtbar.“ Doch wie sieht nun diese Friedensarbeit konkret in den Randgebieten von Medellín aus – etwa innerhalb der Mädchengruppe „Huellas & Sonrisas“?
„Zum einen machen wir den Mädchen und jungen Frauen die vielen Formen von Gewalt und deren Auswirkungen auf die soziokulturellen Beziehungen bewusst. Zum anderen klären wir sie über ihre Frauenrechte auf, lehren sie, wie sie ihren Körper schützen können, und stärken so ihren Selbstwert“, sagt Luli. In Reflexionsrunden werde außerdem über Liebe, Intimität und eigene Lebenspläne gesprochen sowie mit kreativen Ausdrucksmitteln wie Tanz und Theater versteckte tägliche Gewalt sichtbar gemacht. Darüber hinaus werde erläutert, warum „das Aussprechen der Wahrheit, das Anerkennen von Übergriffen sowie die Vermeidung von Rivalitäten, Wettbewerb und Feindschaften“ – etwa innerhalb von Jugendgruppen – genauso essenziell in der Friedensarbeit seien.
Aktiv ist „Vamos Mujer“ auch in den ländlichen Regionen Antioquias. Schließlich wurde der Verein 1979 als Bäuerinnen-Initiative gegründet. Damals ging es um den Zugang zu Grundstücken und Krediten. Nun animiert die Organisation Frauen am Land dazu, sich als Friedensaktivistinnen in ihrem persönlichen Umfeld zu engagieren. Die Bäuerin Marta Sofia Alvarez aus der Provinz Yolombó ist mit Herzblut dabei. Obwohl ihr Sohn im Bürgerkrieg sein Augenlicht und ein Bein verlor, als er auf eine Mine trat, und dieser Schmerz die Familie verändert hat, verspürt Alvarez weder Rache noch Hilflosigkeit oder Wut. Vielmehr sei da eine tiefe Sehnsucht nach Frieden in ihr, der sie folge, sagt sie und ergänzt überzeugt, dass jede und jeder einen Beitrag dazu leisten könne: „Ich zum Beispiel schaffe Frieden, indem ich mich mit anderen Frauen zu einer landwirtschaftlichen Genossenschaft zusammengeschlossen habe. Wir pflanzen an und organisieren Tauschgeschäfte, damit aus Hunger nicht wieder Krieg entsteht.“
Produkte wie Kaffee, Obst und Zuckerrohr werden in der Genossenschaft weiterverarbeitet und gemeinsam vermarktet. „Vamos Mujer“ unterstützt die Frauen mit Mikrokrediten. Marta Sofia Alvarez begrüßt das: „Seither können wir selbstständig sein, autonome Entscheidungen treffen, eigenes Geld verdienen und etwas zum Familieneinkommen beisteuern.“ Viele Männer hier hätten zwar noch etwas dagegen, dass sich ihre Frauen so unabhängig organisierten und vernetzten, doch bestimmt werde sich auch das eines Tages ändern, meint Alvarez. Ihr Mann Raoul gehöre bereits zu den modern denkenden Männern.
Marta Sofia Alvarez’ Beitrag zum Frieden umfasst aber noch mehr. Regelmäßig nimmt die Landwirtin mit
ihrer Frauengruppe „Amoy“ an friedlichen Protestmärschen teil. Ihr Markenzeichen: schwarze Kleidung. Jenen wiederum, die neu dazukommen, gibt sie die Kernbotschaften weiter, die sie selbst durch „Vamos Mujer“ erfahren und tief in ihrem Inneren verankert hat: „Vergebung“ im Sinne des aktiven Anerkennens eines Verbrechens, „Versöhnung“ durch Überwindung emotionaler Verfeindungen sowie die Entwicklung eines Bewusstseins für „Gerechtigkeit und ein Leben ohne Gewalt“. Zur „Heilung“ einer gespalteten Nachkriegsgesellschaft, zur Wiederherstellung von gegenseitigem Vertrauen und zur Etablierung eines stabilen Friedens bedürfe es nämlich mehr als bloß einer Vereinbarung für einen Übergang zum Frieden und der Abwesenheit von Konflikten.